Die Zahl der Opfer von Arbeitsausbeutung und Zwangsprostitution in der EU ist in den letzten Jahren massiv gestiegen. Obwohl es diesbezüglich eine hohe Dunkelziffer gibt, belegte eine Studie der Brüsseler EU Kommission, dass zwischen den Jahren 2008 und 2010 mehr als 23.600 Menschen Opfer von Menschenhandel und Ausbeutung wurden. Rund 60 Prozent aller von Ausbeutung betroffenen Personen stammen aus Ländern der EU, insbesondere aus den Ländern Europas Bulgarien und Rumänien. Aber auch Menschen aus Afrika und Südamerika werden vermehrt durch Menschenhändler in die Europäische Union geschleust und durch Zwangsarbeit und Kinderarbeit ausgebeutet.

Menschenhandel in der EU

Menschenhandel Frauenhandel gefesselte Hände und Füße

Die EU schätzt ca. 800.000 jährliche Opfer von Menschenhandel in Europa (c) iStock.com / chameleonseye

In Italien muss jedes zwanzigste Kind arbeiten, sei es am Markt oder auf der Baustelle. Besonders auch der Frauenhandel hat in der EU stark zugenommen. Die Internationale Organisation für Migration, die sich mit dem Thema Menschenhandel gezielt auseinandersetzt, ist bezüglich der aktuellen Situation von Frauenhandel und Arbeitsausbeutung in der EU noch viel pessimistischer, als es aktuelle Zahlen berichten. Denn Menschenhandel ist ein Delikt, das nur durch Kontrolle aufgedeckt werden kann. Die Ausbeutung von Menschen in der EU kann also nur durch Daten und Fakten belegt werden. Frauenhandel und Arbeitsausbeutung passiert aber im Verborgenen und es wird vermutet, dass die Zahl der Opfer um ein Vielfaches höher ist. Die Opfer, die von Ausbeutung betroffen sind, sind oftmals nicht dazu in der Lage, sich aus ihrer Situation zu befreien, da sie oft noch nicht einmal die jeweiligen europäischen Sprachen beherreschen, werden bedroht oder eingesperrt und so zu Handlungen gezwungen.

Aktuelle Zahlen und Fakten: Das Bundeskriminalamt gibt Auskunft

Nach Rauschgift ist laut Bundeskriminalamt Menschen- und Frauenhandel die zweitgrößte Gewinnspanne unter allen kriminellen Handlungen, die auf Geldeinnahmen beruhen. Geschätzt gibt es in Europa derzeit ca. 3.500 kriminell organisierte Banden für Menschenhandel, die auch Global Players bezeichnet werden. Der geschätzt Jahresumsatz der Zuhälter beläuft sich deutschlandweit, wohlgemerkt ohne Steuern, auf 15-16 Milliarden Euro jährlich. Und trotz dieser Zahlen kommt das Bundeskriminalamt nicht an diese Banden heran. Viele der Täter und Menschenhändler befinden sich entweder im unmittelbaren Alltagsumfeld oder sind in ethnisch geprägten Gruppen zu finden, wie die russische Mafia, Albaner etc. zu finden. Schon lange gibt es die Debatte um die Vorratsdatenspeicherung, denn die Polizei muss der Spur des Geldes folgen und kann ohne effektive Daten nichts anfangen. Dennoch kann das Bundeskriminalamt ein ungefähres Bundeslagebild abgeben:

Menschenhandel in Zahlen:

  • Die EU schätzt auf jährlich 800.000 Menschen in Europa, die der Sklaverei zum Opfer fallen
  • Die Nationalität aller Opfer beläuft sich auf über 85 % aus Europa
  • 58 % Zwangsprostitution, etwa 200.000-400.000 Frauen und Kinder pro Jahr
  • 80 % der Zwangsprostituierten stammen aus osteuropäischen Ländern (Bulgarien, Rumänien, Moldawien, Ukraine etc.)
Weitere Arten von Menschenhandel:

  • Zwangsarbeiter
  • Haussklaven als Dienstpersonal
  • Zwangsadoption
  • Organhandel

Eine junge Frau berichtet von ihren Erfahrungen als Zwangsprostituierte

Angelockt von einem freien Leben in Europa geraten junge Frauen schnell in eine Falle, die ihr Leben verändern: Unter Drogen gesetzt und dem Zufügen körperlicher sowie psychischer Gewalt werden die jungen Mädchen ins Ausland abtransportiert und zur Prostitution bewegt. Sobald ihr Wille gebrochen und der Fluchtgedanke verbannt ist, werden sie an westliche Zuhälter weitergereicht. Insbesondere in Gebieten hoher Arbeitslosigkeit in Europa und Armut werden die jungen Mädchen gefunden, „ausgebildet“ und an Großbordelle verkauft. Die erschreckende Tatsache dabei: Deutschland ist dabei der Hauptabnehmer für Prostitution in Europa. Sogar Väter und Mütter bieten dabei ihre Kinder, insbesondere die begehrten Jungfrauen, zum Verkauf an, damit die Familie überleben kann. In dem folgenden Video berichtet eine junge Frau von ihren Erlebnissen.

 

Maßnahmen gegen Menschenhandel in der EU

Laut Artikel 5 der EU Grundrechte Charta ist Menschenhandel ausdrücklich verboten. Dennoch geht die EU Kommission mittlerweile davon aus, dass jährlich hunderttausende Menschen dem Menschenhandel und der Arbeitsausbeutung zum Opfer fallen. Aus diesem Grund entwickelte die Europäische Kommission, als bedeutende Einrichtung der EU Organe, eine Strategie, die neue Maßnahmen zur Bekämpfung von Arbeitsausbeutung, Frauenhandel, Zwangsprostitution und Kinderarbeit vorsieht und Menschenhändler schärfer verfolgen soll. Mit dieser Strategie zur Beseitigung des Menschenhandels 2012-2016 will die EU Kommission die Mitgliedstaaten dabei unterstützen, zur Bekämpfung des Menschen- und insbesondere Frauen- und Kinderhandels beizutragen, da die jeweiligen Mitgliedstaaten die Hauptverantwortung für ihr Land tragen.

 

Strategie zur Beseitigung des Menschenhandels: Prioritäten und die jeweiligen Maßnahmen

Erkennung, Schutz und Unterstützung der Opfer des Menschenhandels

  • Maßnahme 1: Einrichtung nationaler und länderübergreifender Verweismechanismen
  • Maßnahme 2: Erkennen von Opfern
  • Maßnahme 3: Schutz von Kindern, die Opfer von Menschenhandel sind
  • Maßnahme 4: Bereitstellung von Informationen zu den Rechten der Opfer

Verstärkung der Präventionsmaßnahmen gegen Menschenhandel

  • Maßnahme 1: Die Nachfrage verstehen und verringern
  • Maßnahme 2: Förderung der Einrichtung einer Plattform für den Privatsektor
  • Maßnahme 3: EU-weite Sensibilisierungsmaßnahmen und Präventionsprogramme

Verstärkung der strafrechtlichen Verfolgung der Menschenhändler

  • Maßnahme 1: Einrichtung nationaler, multidisziplinärer Strafverfolgungseinheiten
  • Maßnahme 2: Sicherstellung proaktiver Finanzermittlungen
  • Maßnahme 3: Verstärkung der grenzüberschreitenden polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit
  • Maßnahme 4: Intensivierung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit

Verbesserung der Koordination und Kooperation zwischen den maßgeblichen Akteuren sowie Kohärenz der Politiken

  • Maßnahme 1: Stärkung des EU-Netzwerks nationaler Berichterstatter oder gleichwertiger Mechanismen
  • Maßnahme 2: Koordinierung der externen politischen Aktivitäten der EU
  • Maßnahme 3: Förderung der Einrichtung einer Plattform der Zivilgesellschaft
  • Maßnahme 4: Überprüfung EU-finanzierter Projekte
  • Maßnahme 5: Stärkung der Grundrechte in der Politik zur Bekämpfung des Menschenhandels und in verwandten Maßnahmen
  • Maßnahme 6: Koordinierung von Schulungsmaßnahmen in einem multidisziplinären Kontext

Verbesserung der einschlägigen Kenntnisse und effiziente Reaktionen auf neu auftretende Probleme im Zusammenhang mit allen Formen des Menschenhandels

  • Maßnahme 1: Entwicklung eines EU-weiten Datenerhebungssystems
  • Maßnahme 2: Ausbau von Kenntnissen über die geschlechterspezifische Dimension des Menschenhandels und die gefährdeten Gruppen
  • Maßnahme 3: Kenntnisse über Anwerbung im Internet
  • Maßnahme 4: Bekämpfung des Menschenhandels zu Zwecken der Ausbeutung der Arbeitskraft

EU Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels

Um Täter besser aufspüren zu können und Opfer effektiver zu schützen, wurde bereits im Jahr 2011 eine EU Richtlinie zur Bekämpfung des Menschenhandels verabschiedet, die jedoch nur von den EU-Ländern Lettland, Finnland, Tschechien, Ungarn, Polen und Schweden bisher umgesetzt wurde. Auch in Deutschland fehlt es noch an der Umsetzung des EU-Gesetzes gegen Menschenhandel, dessen Frist am 5. April 2013 endete. Die EU Kommission möchte nun durch Sanktionen gegen die betroffenen europäischen Länder der EU eine Verbesserung erwirken.

Was bewirkt die Strategie?

Menschenhandel Kinderhandel Gitter

Kinderhandel soll verstärkt durch eine Strategie zur Bekämpfung des Menschenhandels eingedämmt werden (c) iStock.com / hameleonseye

Die neu vorgestellte Strategie gegen Menschenhandel und Ausbeutung soll aber in erster Linie eine Schutz- und Präventionsmaßnahme darstellen. Auch Opfer, die von Menschenhandel und Ausbeutung betroffen sind, sollen eine bessere Unterstützung in der EU erhalten. Täter sollen zudem in Zukunft strafrechtlich besser verfolgt werden. Hierfür wurden eigene nationale Strafverfolgungseinheiten gegen Menschenhändler eingerichtet, die europaweit unter Einbindung von Eurojust und Europol grenzüberschreitend tätig sind, was seit dem Schengener Abkommen möglich ist. Als weiterer Kernbereich der EU Maßnahmen gegen Arbeitsausbeutung und Frauenhandel sollen Opfer von Zwangsarbeit und Ausbeutung leichter an verständliche Informationen über EU-Arbeitnehmerrechte gelangen. Menschen, die vom Frauenhandel betroffen sind, sollen zusätzlich einen leichteren Zugang zu medizinischer Betreuung erhalten.

 

Organisationen und Netzwerke gegen Menschenhandel und Ausbeutung

Bei den Maßnahmen gegen Arbeitsausbeutung, Frauenhandel und Kinderarbeit sollen insbesondere Organisationen und die Exekutive international vernetzt miteinander korrespondieren, um auch grenzüberschreitend besser gegen Menschenhandel vorgehen zu können.

Zu den wichtigsten Organisationen gegen Menschenhandel zählen:

  • Die Internationale Organisation für Migration (IOM). Sie arbeitet europa- und weltweit und möchte eine geregelte und menschenwürdige Migration für Migranten schaffen. Die IOM arbeitet gut vernetzt mit einigen Partnerorganisationen zusammen, um bessere Bedingungen für Migranten zu schaffen, und gleichzeitig gegen Menschenhandel, Arbeitsausbeutung, Zwangsprostitution und Frauenhandel vorzugehen.
  • Die Organisation ECPAT, die insbesondere die sexuelle Ausbeutung von Kindern bekämpft.
  • Die GAATW (Global Alliance against Traffic in Women) ist eine Vereinigung von mehr als 100 NGOs, die sich für die Rechte der Opfer von Frauenhandel und Zwangsarbeit einsetzt.
  • Umfassende Hintergrundinformationen über Menschenhandel und Arbeitsausbeutung bietet das NGO-Netzwerk La Strada International.

 

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