Die Fußball-WM 2018 ist vorbei. Der Weltmeister heißt Frankreich. Schon nach dem Viertelfinale der WM stand fest: Der Nachfolger des deutschen Teams kommt aus Europa, denn die verbleibenden vier Nationen waren England, Belgien, Kroatien – und eben Frankreich. Nur ein Zufall, dass Fußballeuropa im Halbfinale der Weltmeisterschaft unter sich war? Hat Europa den Fußball jetzt endgültig im Griff? Oder gibt es auf Sicht Hoffnung für die anderen Kontinente, wieder in die oberen Sphären einzudringen und um den Titel mitzuspielen?

Fußballeuropa, Südamerika – und dann lange nichts

Ganz klar, wenn es um die Vormachtstellung im Weltfußball geht, sprechen wir nicht von Asien, Nord- und Mittelamerika sowie Afrika (von Australien erst recht nicht!), sondern einzig von den Rivalen Europa und Südamerika. Die WM-Titel teilen sich die beiden Erdteile wie folgt:

  • 12 Titel für Europa: Italien (4), Deutschland (4), Frankreich (2), England (1), Spanien (1)
  • 9 Titel für Südamerika: Brasilien (5), Uruguay (2), Argentinien (2)

Bezeichnend: Während bis 2002 maximal zwei Titel in Folge an einen der beiden Kontinente gingen, hat sich Fußballeuropa seit 2006 das Dauerabonnent gesichert: Mit Italien 2006, Spanien 2010, Deutschland 2014 und Frankeich 2018 stellte Europa viermal in Folge den Weltmeister. Und da es sich um vier unterschiedliche Titelträger und nicht einen „übertalentierten Einzeltäter“ handelt, ist es wohl auch legitim anzunehmen, dass es sich hier nicht um ein zufälliges Phänomen handelt, sondern dass es sich mehr und mehr manifestiert: Europa dominiert den Fußball mittlerweile.

Der südamerikanische Fall: Ist Fußballeuropa der Grund?

Was ist in den letzten Jahrzehnten passiert, dass es zu dieser Entwicklung kam, die Fußballeuropa dem südamerikanischen Erdteil enteilen ließ?

Weltweit gilt: Alles was Rang und Namen hat, will nach Europa. Hier werden die Gehälter gezahlt, von denen junge Spieler in Brasilien und Argentinien nur träumen können. Hier spielt die Musik der Champions League. Die großen Vereine Europas dominieren nicht nur den heimischen Erdteil, sondern das Weltgeschehen. Real, Barca, ManUnited, ManCitv, Liverpool, Arsenal London, Chelsea, Bayern, Paris St. Germain – das sind die Vereine, die den Ton im heutigen Fußballeuropa angeben. Sie lassen sich weltweit vermarkten, speziell auch in Asien und Amerika. Kein chinesisches Kind interessiert sich für Corinthians Sao Paolo (Brasilien), River Plate (Argentinien) oder Atletico Nacional (Kolumbien), obwohl diese Clubs in den letzten Jahren die Copa Libertadores, das Äquivalent Südamerikas zur europäischen Champions League, gewonnen haben. Aber die europäischen Spitzenclubs und ihre Stars wie Messi, Ronaldo und Thomas Müller kennt dort jeder Teenager – und hat ein Trikot von einem der drei (oder einem anderen Star der europäischen Großvereine) für teures Geld erworben.

Dass mit dem Geld nicht nur die Strukturen der großen Vereine und Ligen Europas gestärkt werden, sondern auch die europäischen Länder, sprich die Nationalteams davon profitieren, liegt auf der Hand. Denn nicht allein die Qualität der Spieler macht die Stärke einer Mannschaft aus (sonst wäre Brasilien mit dem überragenden Fundus an hochtalentierten Spielern wohl kaum einmal nicht Weltmeister geworden), sondern das gesamte Umfeld.

AAAA – Afrika, Asien und Australien plus Amerika

Auch wenn es den Anschein hat, dass die anderen Erdteile mehr oder weniger Beiwerk für Fußballeuropa und Südamerika bei den Weltmeisterschaften sind, so stellen sie durchaus etliche Teilnehmer: in Russland 2018 waren es 13 (von insgesamt 32 Ländern). Warum kommt aber von diesen Mannschaften nichts?

Afrika zum Beispiel hat gute Fußballer in Hülle und Fülle, das ist nicht neu. Der eine oder andere stieg zum Weltstar auf: Georg Weah (Liberia) war sogar Weltfußballer, aber auch andere Afrikaner waren bzw. sind in der absoluten Weltklasse zu finden, seien es Viktor Ikpeba (Nigeria), Samuel Eto’o (Kamerun), Yaya Touré und Didier Drogba (beide Elfenbeinküste) oder aktuell besonders im Fokus: der Senegalese Sadio Mane und der Ägypter Mohamed Salah vom FC Liverpool. Das Potential ist also seit langem Vorhanden – doch es wurde nie etwas daraus gemacht.

1990 sah es so aus, als ob Afrika sein fußballerisches Talent nutzen würde und endlich in die Phalanx der Großen einbrechen könnte: Kamerun spielte bei der WM in Italien einen begeisternden Fußball und scheiterte nur äußerst unglücklich an damals clevereren Engländern. Doch das afrikanische Feuer wurde bei den nächsten Weltmeisterschaften nicht gefüttert, im Gegenteil, es wurde zum Strohfeuer und erlosch schließlich ganz. Beim Turnier in Russland schaffte es keine der fünf afrikanischen Mannschaften, die Vorrunde zu überstehen. Besserung ist nicht in Sicht.

Asien stagniert auf ähnlich bescheidenem Niveau wie Afrika. Einzig Japan und Südkorea fahren als Dauerteilnehmer zwat alle vier Jahre wieder hoffnungsfroh zur WM, müssen dann aber feststellen, dass sie sich selbst mit durchschnittlichen Europäern nicht messen können und fliegen zeitig heim. Einzig beim Heimturnier 2002 konnte Südkorea dank frenetischer Unterstützung seiner Fans (und einiger seltsamer Schiedsrichterentscheidungen) das Halbfinale erreichen. Ansonsten schied man in schöner Regelmäßigkeit in der Vorrunde aus.

Für Australien und Ozeanien (gleichbedeutend mit Neuseeland) gilt: Beide wechseln sich mehr oder weniger bei WM-Teilnahmen ab, ohne je eine Rolle bei einem Turnier gespielt zu haben.

Und Nord- und Mittelamerika bekleckert sich auch nicht mit Ruhm: Einzig Mexiko ist regelmäßiger Gast der WM-Endrunden, aber ebenso regelmäßig scheidet man auch im Achtelfinale aus. Die USA haben sich für 2018 bereits in der Qualifikation verabschiedet, nachdem man bei den Turnieren davor in der Regel ganz ordentlich mitspielte, und andere Länder des Kontinents wie Costa Rica, Honduras, Jamaica oder zuletzt Panama qualifizieren sich aus Versehen mal für eine Endrunde,  kommen aber über den „Exoten-Status“ meist nicht hinaus.

Diskrepanz innerhalb Fußballeuropas

Aber nicht nur zwischen den Kontinenten sind die Unterschiede über die Jahrzehnte größer geworden, auch innerhalb Europas haben sich Kräfteverhältnisse verschoben und teilweise so gut wie unveränderbar manifestiert.

Stellvertretend für den Absturz ehemaliger Fußballnationen stehen die osteuropäischen Länder. Ob Russland, das sich 2018 allerdings mit dem Heimvorteil der Fußball-Weltmeisterschaft recht ordentlich präsentierte und sogar bis ins Viertelfinale vordrang, Tschechien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder die Ukraine: Keins dieser Länder hat bei den letzten Turnieren eine größere Rolle gespielt – wenn es sich denn überhaupt qualifiziert hatte. Der Niedergang der Fußballnationen Osteuropas ist natürlich auch ein struktureller: Die Ligen sind schon lange nicht mehr konkurrenzfähig. Weniger Einnahmen, weniger Geld für die Entwicklung des Nachwuchses, sinkendes Niveau – diese Entwicklung endet zwangsläufig bei den Nationalmannschaften, die in der Bedeutungslosigkeit verschwunden sind.

Animiert: Fußball, Krone. Pokal

Ist die Domnanz von Fußballeuropa zu brechen? © istock/scanrail

Europameisterschaft – die bessere Weltmeisterschaft?

Nicht selten wird behauptet, dass es schwerer ist, eine EM zu gewinnen als eine WM, weil das Niveau insgesamt höher ist, denn es fehlen schließlich die ganz großen Außenseiter. Interessanterweise ist es anders als bei Fußballweltmeisterschaften, die (s.o.) immer nur von Titelfavoriten gewonnen wurden, bei der EM immer wieder zu erstaunlichen Außenseitersiegen gekommen:

  • 2016: Portugal hatte zwar Ronaldo, zählte aber mit Sicherheit nicht zu den Topfavoriten, kämpfte sich aber zum Turniersieg über Frankreich, obwohl man nur ein (!) Spiel von sieben innerhalb der regulären Spielzeit gewann (2:0 im Halbfinale gegen Wales).
  • 2004: Griechenland war als krasser Außenseiter zum Turnier in Portugal angereist, schaltete aber Frankreich und Tschechien im Viertelfinale und Halbfinale mit 1:0 aus und schlug den Gastgeber im Endspiel – ebenfalls mit 1:0.
  • 1992: Dänemark rückte damals für Jugoslawien nach, das wegen des Balkankonflikts von der UEFA kurzfristig von der EM ausgeschlossen wurde. Im Finale bezwangen die Dänen den amtierenden Weltmeister Deutschland mit 2:0.

Es zeigt sich, dass die recht hohe Leistungsdichte in Fußballeuropa dazu führt, dass der eine oder andere Underdog auch mal den Etablierten dazwischenfunken kann.

Ausblick: Wer kann Europas Fußball stoppen?

Zurück zum Weltfußball und der Frage nach der Dominanz Fußballeuropas: Zum Turnier 2026 (Ausrichter sind USA, Kanada und Mexiko) wird das Teilnehmerfeld von 32 auf 48 Länder erweitert. Europa soll nur drei zusätzliche Startlätze bekommen, die anderen Kontinente werden also rein zahlenmäßig gestärkt. Ob dadurch allerdings mehr Wettbewerb stattfindet bzw. bessere Chancen für die anderen Erdteile geschaffen werden, darf bezweifelt werden. Schließlich kann die Masse aus Asien, Afrika & Co. kaum mit der Fußball in Europa mithalten.

Dennoch: Brasilien wird auch in Zukunft eine Mannschaft haben, die zu den Favoriten gehört, alleine schon, weil man am Zuckerhut auch in den nächsten Jahrzehnten ein unerschöpfliches Repertoire an Talenten hat. Und Argentinien wird nach Maradona und Messi irgendwann wieder einen Superstar hervorbringen, der die Gauchos zum Titel führen kann. Allerdings werden es die Südamerikaner immer schwerer haben, den Titel zu holen, so dass der bislang eher seltene Fall, dass Fußballeuropa im Halbfinale einer WM unter sich ist, in Zukunft durchaus häufiger eintreten könnte.

 

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