Sie sind die „Türsteher“ Europas: Seit 2004 koordiniert Frontex den Schutz und die Überwachung der europäischen Außengrenzen. Im Zuge der Flüchtlingskrise soll die EU-Einrichtung mehr Befugnisse erhalten und zu einer Art Grenztruppe ausgebaut werden. Welche Aufgaben hat Frontex und warum steht die Grenzschutzagentur bei Menschenrechtlern unter Beschuss?

Frontex drängt Flüchtlingsboote ab und greift bei Seenot nicht schnell genug ein, lautet die Kritik an Frontex © iStock.com / Joel Carillet
Frontex steht für „frontières extérieures“, das französische Wort für Außengrenzen. Die deutsche Bezeichnung lautet Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Sitz der EU-Einrichtung ist die polnische Hauptstadt Warschau. Anfang 2015 folgte Fabrice Leggeri als Direktor auf Ikka Laitinen.
Frontex: Europas Wachhund oder Garant für sichere Grenzen?
14.000 Kilometer Außengrenze, 300 Mitarbeiter und rund 100 Millionen Euro Jahresbudget: Bisher ist Frontex eher ein europaweiter Koordinator als eine eigenständige Grenzpolizei. Dafür fehlen der aus Warschau befehligten Truppe auch wesentliche Befugnisse. So dürfen Frontex-Mitarbeiter gegenüber EU-Bürgern keinen Zwang anwenden – sie beispielsweise nicht verhaften oder innerhalb des Raums, in dem das Schengener Abkommen gilt, systematisch überprüfen. Vielmehr laufen bei Frontex die Fäden der Grenzschutz-Einrichtungen aller 28 EU-Mitgliedsstaaten zusammen. Ihre Hauptaufgaben sind:
- Einschätzung der Risiko- und Gefährdungslage an der EU-Außengrenze
- Koordinierung bei gemeinsamen Einsätzen der Grenzpolizeien einzelner europäischer Länder
- Unterstützung und Beratung bei der Ausbildung von Grenzbeamten oder bei der Sicherung von Grenzanlagen
- Koordination mit Sicherheitsbehörden in und außerhalb Europas
- Unterstützung einzelner EU-Staaten bei der Abschiebung von Menschen aus Drittstaaten
- Mitwirkung beim Aufbau von Hotspot, also Aufnahme- und Registrierungszentren für Flüchtlinge
Was Menschenrechtler an Frontex kritisieren
Mehrere Tausend Flüchtlinge sind 2015 bei der Flucht über das Mittelmeer ertrunken. Menschenrechtler geben der Grenzschutzagentur Frontex zumindest eine Mitschuld an der Tragödie. So verurteilte der Europäische Gerichtshof 2012 sogenannte „Push-Back“-Aktionen: Mehrfach hatten die Grenzschützer Flüchtlingsboote gewaltsam an der Fahrt in EU-Gewässer gehindert und ins offene Meer zurückgedrängt. Zudem wird kritisiert, dass Rettungsmaßnahmen oft zu spät oder überhaupt nicht bei in Seenot geratenen Flüchtlingsbooten ankommen.
Frontex soll zu einer Einsatzgruppe an der EU-Außengrenze werden

Frontex soll mehr Macht erhalten, um die EU-Außengrenzen stärker zu schützen © iStock.com / Charles Schug
Um den grenzfreien Schengen-Raum nicht weiter aufzuweichen, hat die EU-Kommission im Dezember 2015 beschlossen, die EU-Außengrenzen stärker zu schützen. Dazu soll Frontex mehr Macht erhalten. Vorgesehen ist unter anderem, dass die Agentur
- künftig als ständig einsatzbereite Grenzschutztruppe beziehungsweise Küstenwache agiert
- die Kontrolle eines nationalen Grenzabschnitts übernimmt, wenn der betroffene EU-Staat selbst nicht dazu in der Lage ist oder sich dagegen weigert
- die massenhafte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber koordiniert
- auch EU-Bürger an den Außengrenzen systematisch kontrolliert
Um dies alles leisten zu können, sollen die Ressourcen von Frontex aufgestockt werden. So wird sich das Budget 2016 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt und soll bis 2020 auf 322 Millionen Euro steigen. Personell will die EU-Kommission die Grenzschutzagentur von derzeit etwas mehr als 300 auf etwa 1.000 Mitarbeiter erhöhen. Zudem sollen im Notfall weitere 1.500 Grenzbeamte aus den Mitgliedsländern der Frontex-Einsatzgruppe auf Anforderung zur Verfügung stehen.
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