Sie haben es tatsächlich getan: Mit haarscharfer Mehrheit haben die Briten für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Für den Handel und somit auch für internationale Speditionen wird der Brexit nicht ohne Folgen bleiben.

Das knappe Votum der Briten hat nicht nur ein politisches, sondern auch ein wirtschaftliches Erdbeben ausgelöst: Nachdem feststand, dass sich die Inselbewohner für einen Austritt aus der EU ausgesprochen haben, fiel das britische Pfund auf den tiefsten Wert seit 1985. Wie es nun weitergeht und welche Folgen der Brexit für den Transport von Waren und Gütern nach Großbritannien hat, ist noch nicht absehbar. Die Briten haben mit ihrem Leave-Wunsch einen Präzedenzfall geschaffen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen werden erst klar sein, wenn der Austritt endgültig vollzogen ist. Und das kann bis zu zwei Jahre dauern.

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Internationale Speditionen befürchten nach dem Brexit Einschränkungen des freien Warentransports auf die Insel (c) iStock.com / cybrain

Freier Warenverkehr und seine Bedeutung für internationale Speditionen

Egal ob Luftfracht, Seefracht, Transporte über die Schiene oder per Lkw: Internationale Speditionen mit Sitz in Deutschland wie zum Beispiel die Spedition Kruse profitieren von einem uneingeschränkten EU-Binnenmarkt. Der basiert auf vier Grundfreiheiten: dem freien Verkehr von

  • Waren
  • Personen
  • Dienstleistungen
  • Kapital

Sollte der freie Warenverkehr mit Partnerunternehmen in Großbritannien wegfallen, haben internationale Speditionen mit höheren Kosten zu rechnen. In dem Fall, dass wieder Zölle erhoben werden, hat dies nicht nur eine direkte Kostensteigerung im Bereich Logistik zur Folge, sondern auch eine indirekte. Im Speditionsgewerbe gilt wie in kaum einer andere Branche der Grundsatz: Zeit ist Geld. Lange Wartezeiten bei der Zollabfertigungen und Stopps durch Kontrollen kosten wertvolle Minuten, wenn nicht sogar Stunden oder Tage. Hinzu kommen generelle Folgen des Brexits für das Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union. So erwartet EU-Finanzkommissar Pierre Moscovici im nächsten Jahr einen Rückgang von 0,2 bis 0,5 Prozent, wie die ZEIT berichtet. Seiner Meinung nach könnten die negativen Auswirkungen begrenzt werden, wenn zeitnah die Ungewissheit beseitigt und eine angemessene politische Antwort gefunden werden würde.

Auch die Handelsbranche zeigt sich nach dem Referendum auf der Insel beunruhigt. Der Hauptgeschäftsführer der Außenhandelsvereinigung des Deutschen Einzelhandels Jens Nagel spricht von einer Katastrophe für das deutsch-britischen Geschäft. Er befürchtet unter anderem neue Zölle, technische Handelseinschränkungen, unterschiedliche Normen und Standards sowie ein Auseinanderdriften im Umwelt- und Verbraucherschutz. All dies würde auch internationale Speditionen treffen. Schließlich ist Großbritannien der fünfwichtigste Handelspartner Deutschlands. Laut Nagel werde mit den Briten nach den US-Amerikanern der zweitgrößte Außenwirtschaftsüberschuss erwirtschaftet.

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Der Austritt Großbritanniens auf der EU würde für internationale Speditionen nicht ohne Folgen bleiben © iStock.com / IakovKalinin

Brexit – Wie geht es weiter

Den bisher noch nie da gewesen Austritt eines EU-Mitgliedstaates aus der EU regelt Artikel 50 des Lissaboner Vertrags. Demnach muss Großbritannien zunächst ein offizielles Austrittsgesuch stellen. Ab diesem Zeitpunkt läuft eine Zweijahresfrist und die Verhandlungen über ein Austrittsabkommen können beginnen. Dazu muss der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs als Erstes die Leitlinien festlegen, ehe EU und Großbritannien Die Einzelheiten Schritt für Schritt verhandeln. Sollte vor Ende der Zwei-Jahres-Frist kein abschließendes Ergebnis erzielt werden, ist das Vereinigte Königreich automatisch raus aus der EU, ohne dass der Rahmen für die weiteren Beziehungen geregelt ist.

Mögliche Szenarien für zukünftige handelsrechtliche Beziehungen

  • Großbritannien könnte einen ähnlichen Status wie Norwegen erhalten, das Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) ist. Damit könnte das Vereinigte Königreich weiterhin die Vorteile des EU-Binnenmarktes genießen, müsste aber auch die daraus resultierenden Pflichten tragen, bei denen es als Nicht-Mitgliedsstaat kein Mitspracherecht mehr hätte.
  • Auch das Beispiel Schweiz gibt es mögliches Szenario vor. Die Eidgenossen sind Mitglied in der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Der Zugang zum EU-Binnenmarkt ist über bilaterale Verträge geregelt.
  • In einer Zollunion mit der EU, in der sich derzeit die Türkei befindet, hätte Großbritannien als Drittland keine direkte Mitsprache, was Zollhöhe und andere Regelungen betrifft.
  • Falls keine besondere Regelung zur zukünftigen handelsrechtlichen Beziehung gefunden wird, gelten die Regelungen der Welthandelsorganisation (WTO).

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