In Zeiten von Brexit, Flüchtlingskrise und nationaler Stimmungsmache gegen Europa feierte ein Projekt für die europäische Idee 2017 einen runden Geburtstag: Das Erasmus Programm wurde 30 Jahre alt. Die EU startete diese Erfolgsgeschichte 1987, um eine Hochschulzusammenarbeit quer über nationale Bildungsgrenzen hinweg zu ermöglichen. Mittlerweile nehmen 33 Länder am Erasmus Programm teil, das Studenten aller Hochschulen und Fachrichtungen sowie Auszubildenden, aber auch dem Hochschulpersonal die Möglichkeit bietet, ein Studium oder Praktikum im Ausland zu absolvieren. Jedes Jahr nehmen an die 40.000 Studenten und Auszubildende aus Deutschland die Angebote wahr. Inzwischen ist das Programm zu Erasmus+ ausgeweitet worden. Damit sollen bis zum Jahr 2020 mehr als vier Millionen Menschen europaweit von den unterschiedlichen Projekten profitiert haben. Ein Ziel von Erasmus+ ist, dass bis 2020 mindestens 20 Prozent der Studenten im Ausland studiert haben – momentan liegt der Anteil bei etwa 10 Prozent.
Warum Erasmus Programm?

In erster Linie dient ein Erasmus Programm dazu, eine Fremdsprache zu vertiefen (c) iStock.com / wernerimages
„Akademische Mobilität“ lautet das Zauberwort für ein Erasmus Programm. Ein Auslandsstudium wird heutzutage in etlichen Branchen schon als obligatorisch angesehen. In Zeiten der Globalisierung sinken die Berufschancen vieler Studenten ohne entsprechende Sprachenförderung.
Somit steht das (perfekte) Erlernen einer Fremdsprache bei Erasmus an erster Stelle. Und dennoch muss der Student natürlich schon gewisse Kenntnisse mitbringen. Wer sich in der europäischen Sprache seiner Gasthochschule noch nicht heimisch fühlt, sollte vorab einen Online-Sprachkurs belegen, denn fehlende Sprachkenntnisse können einem natürlich schnell zum Nachteil gereichen.
„Eine neue Kultur kennenlernen“ – was bei Fußballmillionären als fadenscheinige Begründung für einen Wechsel zu einem hochpotenten Verein im Ausland angeführt wird, ist beim Erasmus Programm Realität. Der kulturell europäische Austausch soll gefördert werden inklusive der internationalen Kontakte, die den Studierenden im späteren Berufsleben zu Gute kommen können.
Übrigens: Wer einen schnellen Studienabschluss anstrebt, ist mit einem Auslandsstudium wohl an der falschen Adresse, da es erfahrungsgemäß in einem fremden Umfeld einer gewissen Eingewöhnungsphase bedarf, bevor man richtig Fuß fasst – Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel.
Wie funktioniert das Erasmus Programm?
Das Erasmus Programm wird in Deutschland vom DAAD (Deutscher Akademischer Austauschdienst) organisiert. Hier einige Eckdaten zu Erasmus:
- Zur Wahl stehen Auslandsstudium oder Auslandspraktikum.
- Die Studiendauer beträgt 3 bis 12 Monate, die Praktikumsdauer 2 bis 12 Monate.
- Auch eine Kombination aus Studium und Praktikum ist möglich.
- Der Auslandsaufenthalt muss nicht am Stück genommen werden, 12 Monate kann man beispielsweise auch in 2 Auslandssemester aufteilen.
- Es fallen keine Studiengebühren für das Erasmus Programm an.
- Zusätzlich gibt es eine finanzielle Förderung (in drei Ländergruppen aufgeteilt), die nicht zurückgezahlt werden muss.
- Andere Zuwendungen aus BAföG oder Deutschlandstipendium sind weiterhin möglich.
- Maximal zwei Förderungen können insgesamt genutzt werden, pro Studiengang (Bachelor, Master und Doktorat) jeweils nur eine bis zu 12 Monaten.
- In einzügigen Studiengängen kann ein Auslandsaufenthalt bis 24 Monate ausgedehnt werden, danach ist zusätzlich eine Förderung von bis zu 12 Monaten für die Promotion möglich.
- Sonderzuschüsse vergibt das Erasmus Programm für Behinderte und Auslandsaufenthalte für Kinder
Kleiner Tipp: Gerade in hochfrequentierten Erasmus-Städten kann es schwierig werden, kurzfristig ein Zimmer oder eine Wohnung zu finden. Daher sollte die Wohnsituation beizeiten geklärt werden.
Voraussetzungen für die Teilnahme am Erasmus Programm
Natürlich müssen beide beteiligten Hochschulen am Erasmus Programm teilnehmen. Außerdem muss der Antragsteller
- an der Universität immatrikuliert sein
- in Vollzeit studieren
- das erste Studienjahr abgeschlossen haben
- aus einem EU-Land sein oder einem Land der Vertragspartner des Europäischen Wirtschaftsraums kommen
oder eine unbegrenzte Aufenthaltsgenehmigung haben
oder offiziell als staatenlos oder Flüchtling anerkannt sein
- die Sprache soweit beherrschen, dass dem Unterricht gefolgt werden kann (wird geprüft!)
Die Bewerbung ist beim Erasmus+ Hochschulkoordinator der Heimathochschule einzureichen. Neben den üblichen Bewerbungsunterlagen sollte man seine Beweggründe für ein Auslandsstudium oder Auslandspraktikum in einem Motivationsschreiben für das Stipendium ausführlich erläutern. Über die Vergabe der Stipendien zum Erasmus Programm entscheidet die Hochschule des Antragstellers.
Man spricht Spanisch

Madrid ist eine der beliebtesten Städte für ein Auslandsstudium über ein Erasmus Programm (c) iStock.com / kasto80
Über die schönsten, beliebtesten und überhaupt besten Erasmus-Städte gibt es zahlreiche Umfragen und Auflistungen im Internet mit unterschiedlichen Ergebnissen – je nach Fragestellung. Grundsätzlich gilt: Spanien erfreut sich bei den Studierenden im Erasmus Programm großer Beliebtheit, was wohl zu einem nicht geringem Teil der dort herrschenden Lebensqualität inklusive Sommer, Sonne und Sangria geschuldet ist. Granada, Valencia, Madrid, Barcelona, Sevilla, Cádiz, Salamanca – Spanisch zieht. Der Boom ist allerdings wohl auch damit zu erklären, dass die Sprache z. B. in deutschen Schulen seit vielen Jahren vermehrt unterrichtet wird.
Fast genauso beliebt sind Portugal mit Lissabon, Porto oder Coimbra, Frankreich mit Paris, Lyon, Toulouse, Marseille oder Montpellier sowie Italien mit Bologna, der ältesten Universität Europas, Rom, Florenz oder Mailand. Auch die skandinavischen Länder sind auf den Favoriten-Listen ganz oben. Selbst Island erlebt zuletzt – Dank der Leistungen bei der EURO 2016? – einen Boom im Erasmus Programm.
Osteuropa ist zwar nicht ganz so beliebt – Ausnahme Prag – aber leicht im Kommen: Warschau, Posen, Krakau, Budapest und Vilnius rücken vermehrt in den Fokus der Studierenden.
Sprachreisen nach England und die Türkei haben in letzter Zeit an Attraktivität verloren. Das Königreich hat zwar exzellente Universitäten, durch den Brexit kommen aber vermehrt Spekulationen auf, dass England auch aus dem Erasmus Programm aussteigen könnte, zumal die Hochschulen dort hohe Studiengebühren verlangen und daher wenig Interesse an Studierenden haben, die nicht zahlen. Und die Türkei wird nicht nur von Urlaubern aufgrund der letzten politischen Entwicklungen vermehrt gemieden.
Letztendlich hängt die Entscheidung, in welcher Stadt das Auslandsstudium stattfinden soll, wohl in erster Linie vom Studiengang und den damit verbundenen persönlichen Ambitionen, der Sprache des Zielortes und der Bezahlbarkeit des Wohnraums ab – und erst zuletzt von der Attraktivität der Stadt.
Weiterlesen in den Europa News
- Wie lebt Europa? Europäische Einrichtungsstile im Vergleich
- Personalvermittlung in Europa: Arbeitgeber und -nehmer zusammenbringen
- Antrag auf Eis gelegt: Island zieht EU-Beitrittsantrag zurück
- Europäische Reiseversicherung: Welche Sicherheiten habe ich im Urlaub?
- Aus zwei mach eins – Eurasien als ein Kontinent?